Die Klingen von Ligan

Die Klingen von Ligan

Nach der verhinderten Zerstoerung Kanagars, beseelt von einem dringlichen Auftrag des Fuerstenpaars, nimmt die Gruppe tapferer Recken die Verfolgung eines Halbelfen auf, der sich zunaechst mit dem Schiff des erpressten Kapitaens nach Grimaria absetzen kann. Nachdem dessen Familie heimtueckisch entfuehrt worden war, hatte dieser Bestien unter der Fuehrung des Halbelfen in die bedrohte Hafenstadt bringen muessen. Als man sich mit diesem verstaendigt hat und den Halbelfen auf der Insel zuruecklaesst, ist sich die Gruppe schnell einig, dass die Spur zurueck nach Ligan fuehrt, dem Heimathafen des erpressten Kapitaens...

Der Kapitaen bleibt an Bord

Als Kapitän Archon die schroffe Küstenlinie der liganischen Bucht ausmacht, bittet er die Abenteurer zu sich. Er selbst kann nicht an Land gehen, denn dann wuerden die Entführer sofort Wind von seiner Rückkehr erhalten und seiner Familie vermutlich Schreckliches widerfahren. Während der Überfahrt haben die Recken alles von der feigen Tat erfahren, wie er erst hinaus zum Gutshof eines Waffenhändlers und Mitverschwörers gelockt worden war, dann hinterhältig überfallen, und als er wieder erwachte, seine Familie in der Gewalt des Halbelfen und sich selbst am Steuer seines Schiffes wiederfand, auf einem Kurs, den er selbst nicht mehr festzulegen vermochte. Die Helden stimmen zu. Man beschließt, mit einem Beiboot den Hafen anzusteuern, sich für Freunde des Kapitäns auf Besuch auszugeben und sich zunächst für zwei Tage umzusehen. Anschließend werde man zurückkehren, wenn es nicht eher schon wichtige Neuigkeiten gibt.

Als die Gruppe das wackelige Gefaehrt bestiegen hat, wird ihnen ganz anders. Das kleine Boot wird hier außer Sicht des Hafens doch gehörig in dem hohen, ungestümen Seegang auf und ab geworfen, der von den scharfen Felsen, wie Wasser in einer flachen Suppenschüssel, hin und her schwappt. Kaum zu glauben, dass sie sich nach der Sicherheit des großen Handelsschiffes zurücksehnen koennten, dass sie in der vergangenen Wochen zu hassen gelernt haben. Elara, deren Lammetei über das Rudern wie fernes Heulen von den Klippen widerhallt, wird einzig von Thebens stoischer Ruhe, am anderen Riemen, übertroffen, mit der er den Mageninhalt in sich behält. Erst in Hafennähe beginnen die Wellen nachzulassen, die Schaukelei wird weniger, dass Wimbells weiß verkrampfte Knöchel von der Bordwand ablassen. Kurze Zeit später dotzt Holz auf Holz, ein Tau geht an Land und ein alter Mann in Uniform der Stadtwache reicht ihnen die Hand. "Schönen guten Tag." Ruft er ihnen zu und bittet sie um eine kleine Zahlung in Form der Hafengebühr. Theben, der seine edle Kleidung angelegt hat, stellt sich als Hans Grindelwald vor. Sie werden ins Hafenbuch eingetragen und mit einigen Hand- und Ratschlägen versorgt.

Schon macht man sich flugs auf hinauf in die Stadt. Die winkligen Gassen, die rechts und links quer von der großen Straße abgehen, in das Wagenränder tiefen Rinnen über die Jahrzehnte gefurcht haben, geben der Altstadt den Anschein eines undurchdringlichen Labyrinths. Weiter und weiter mühen sie sich den Hang auf dem rutschigen Schotter hinauf, bis es endlich flacher wird.

In der Naehe des Hauses des Kapitaens wollen sie sich ein Rasthaus suchen, aber Theben und Wimbell wollen zuvor etwas einkaufen gehen. Er moechte das Geschaeft des Waffenhaendlers, der bei der Entfuehrung eine grosse Rolle gespielt haben muss, besuchen, um dort Naeheres zu erfahren. Er wirft sich in Pose und betritt als Gutshofbesitzer aus Minvoul den grossen Laden, dessen gekreuzte Klingen am Schild ueber der Tuer deutlich auf den Waffenhaendler Baal hinweisen. Im Verlauf des Gespraeches erfährt er, dass der junge Norud Baal der einzig verbliebene der Familie ist. Der Vater ist schon früh gestorben, die Mutter bei einem schrecklichen Unfall erst kürzlich ums Leben gekommen. Umso mehr hat sich der Sohn als tüchtiger Geschäftsmann etabliert. Die Kundschaft im Laden hingegen wird von Tirak und Darss bedient. Theben bestellt einige Rüstungen, Stiefel und Waffen für seine Knechte zur Ansicht für den nächsten Abend und ersteht nach einigem Feilschen sein altes Rapier gegen ein meisterliches neues.

Währendessen hat sich Elara den großen Tempel am Marktplatz. Sie ist fasziniert von der gänzlich anderen und doch in vielerlei Hinsicht gleichen Vergötterungskultur Novads. Der Tempel ist ein herrlicher liganischer Bau. In seinen Grundmauern ein Fachwerkhaus, doch darüber hinaus reichlich verziert und mit einem wunderschönen Turm ausgestattet, der den Geistlichen den Blick auf das Meer und das Ausrufen zu festlichen Anläßen über die gesamte Stadt ermöglicht.

Wimbell hatte Theben erst begleiten wollen, doch ein belustigtes "Komm, Schatz!", als dieser den Laden der Baal's betreten hatte, ließ sie instinktiv zurückschaudern. Für einige Momente blickte sie noch verärgert durch die Schaufenster, dann ließ sie sich von der Menge langsam gen Marktplatz treiben.

Thouby hat nichts dergleichen im Sinn. Er will endlich sein Gepäck loswerden und hat das Gasthaus "Zur goldenen Krake" ausgemacht. Er verhandelt mit dem Wirt über Preis und Befindlichkeiten. Dann nimmt er sich ein Zimmer für 5 Silber die Nacht auf etwas Stroh, kurz unter dem Dach und setzt sich schließlich in die Stube, den Kopf tief über einen dampfenden Suppenteller gebeugt, bis ein Poltern an der Tür die ersten Nachzügler ankündigt. Elara tritt mit einem seeligem Lächeln herein und hat unterwegs Wimbell aufgegabelt, die sich hier sichtlich wohler fühlt als noch in Bronnigar, wo die Menschen merklich größer sind. Als letzter trampelt sich Theben die Schmiere der Straße auf der Türschwelle von den Stiefeln und betritt glücklich die Schanke. Auffällig lässt er seinen edlen Umhang auffächern, darunter blitzt das meisterhafte Rapier in seiner neuen Schwertscheide.

Kurz darauf laben sich alle an der Suppe, während der Wirt sichtlich erfreut über die vermehrte Kundschaft sie von hinter dem Tresen beobachtet. Ihre Pläne für den frühen Abend schmieden sie jedoch erst auf Wimbell und Elaras Stube: Das Haus des Kapitäns.

Am späten Abend verlassen sie gemeinsam das Gasthaus und laufen die wenigen Schritten zwei Gassen entlang, bis sie schließlich das Haus des Kapitäns vor sich finden, genau wie er es beschrieben hat. Vorsichtig macht sich Theben an der Tür zu schaffen, sonst brennt im Haus nirgends Licht. Archons Familie ist also nicht mittlerweile nach Hause entlassen worden. Und das Abenteuer noch längst nicht zu ende. Plötzlich räuspert sich hinter ihnen eine laute Stimme! Erschrocken fahren die Recken herum und starren auf die füllige Gestalt einer älteren Hausfrau, die gräuliche Haare zu einem engen Zopf zusammengeflochten, in der rechten ein großen Nudelholz. "Einen schönen guten Abend", beginnt Theben sogleich, "wissen Sie vielleicht, was hier los ist? Wir sind Freunde der Archons und werden erwartet, aber niemand macht uns auf." Die mißtrauisch verengten Augenbrauen der alten Damen werden augenblicklich versöhnlicher, als sie in einen geschwätzigen Tonfall verfällt und zu erzählen beginnt. Nein, sie wisse nichts. Sein einigen Wochen seien die Archons verschwunden. Der Kapitän, er sei ja ohnehin immer wieder auf Reisen mit seinem Schiff. Aber seine Familie, Frau, Sohn und Tochter, seien verschwunden, und das sei höchst merkwürdig. Selbst die Stadtwache habe sich schon im Hause umgesehen, aber nichts bemerkt, außer dass die Türe nicht verschlossen ist. Theben durchzuckt einen Moment die Schamesröte, während Thouby ihn spöttisch mustert. Nach einem langen, aber letztlich leider wenig aufschlußreichen Gespräch verabschiedet man sich. Der Brief, den man von Archon als Beweis der Freundschaft erhielt, übergibt man der guten Nachbarin, die stets ein Auge auf das Haus der Archons hatte und haben wird, damit sie es übergeben kann, wenn die Familie bis zur Abreise nicht zurück kehren sollte.

Der Hof im Norden

Am naechsten Tag - der vereinbarte Zeitpunkt des Treffens mit dem Kapitaen rueckt immer naeher - macht man sich auf den Weg nach Norden. Dort an einer Weggabelung kurz vor dem Hof des Waffenhaendlers soll die Familie Archon entfuehrt worden sein. Auf der Suche nach Spuren macht man sich auf durch das nodoestliche Stadttor Ligans und die wenig befestigte Strasse entlang. Zur Linken tuermen sich immer steilere Huegel auf, bis der Weg quer an ihnen vorbei an einem nackten Steilhang entlang schneidet. Zur rechten hingegen tun sich weite, flache Lande auf, von dichtem Gras und einigen Hainen bevoelkert. Der Weg ist muehsam und geht bergauf, so dass die Recken eine Weile brauchen, bis sie schliesslich die Gabelung erreichen. Die Huegellandschaft hat sich hier merklich abgeflacht, man ist auf einem Plateau angekommen, dass zur einen Seite von der Steilkueste und dem Meer begrenzt wird und zur anderen in einem langen Schwung hinab ins Huegelland fuehrt. Zu beiden Seiten des zur Steilkueste fuehrenden Weges steht je ein hoher Baum. Theben, des Kletterns nachweislich unfaehig, laesst nur zu gerne Thouby den Vortritt, der sich rasch und behaende bis auf die hoechsten Wipfel geschwungen hat. Wimbell und Elara schauen dem Halbling ein wenig misstrauisch hinterher. Der Wind wiegt die Wipfel sanft hin und her, waehrend der Halbling seinen Blick ueber die weiten Lande schweifen laesst. Muehelos erkennt er gen Nordwesten, direkt an der Steilkueste einen mannhohen Zaun und dahinter einen grossen Gutshof, der aus ingesamt vier Gebaeuden besteht. Drei grossen und einem kleinen. Der Weg taucht leicht hinab, steigt dann aber wieder etwas an, bis er vor einem grossen, schmiedeeisernen Tor endet. Zu seiner grossen Verwunderung entdeckt Thouby jedoch nicht eine Menschenseele auf dem Hof, kein Geraeusch erklingt. Kein Haemmern, kein Wiehern, keine Rufe. Der Hof wirkt voellig verlassen.

Diese Kunde beunruhigt die Mitstreiter ebenso und merklich vorsichtiger als auf dem vermeintlichen Spaziergang zuvor, macht man sich den schmalen Kiesweg entlang, in den grossen Wagenraeder tiefe Furchen gegraben haben. Links und rechts spielt lustig der Wind mit dem Gras, dass so hoch gewachsen ist, dass Thouby und Wimbell beide dahinter verschwinden und nur Elaras und Thebens im Gang wippende Koepfe immer wieder unter diesem saftig gruenen Mantel auftauchen. Die frische Brise von der See ist angenehm. Ein salziger Geruch liegt in ihr, der von der schmerzhaft langen Ueberfahrt von Kanagar nur die angenehmen Seiten wie das ruhige Taumeln des Schiffsrumpfes in der See, das Bauchen der weissen Segel und das Flattern der Handelsflagge Ligans wiedererweckt.

Als sie das Tor erreichen, gewaehrt ein leichter Druck Thoubys dagegen, mit einem lauten Quietschen Einlassen, waehrend Theben seine Dietriche genervt ein weiteres Mal in den Rucksack zurueckstopft. Auf dem staubigen Hof des Gutes - kein Gras und kein Gestruepp konnte sich ob der vielen ein- und auskehrenden trampelnden Fuesse und malmenden Wagenraedern halten - bleiben sie misstrauisch stehen. Zur linken findet sich ein gewaltiger, aber flacher Bau, mit einem langen Giebeldach, dass direkt gen Meer zeigt. Rechts duckt sich ein gewichtiges Herrenhaus, aus Stein erbaut, nahe an die Mauer, welche den Gutshof voellig umschliesst. Geradehaus findet sich ein maechtiger Stall, komplett aus Holz erbaut. Nur der linke Teil hat ein steinernes Fundament und ein eigenes Tor, ein Lager vielleicht. Zwischen Herrenhaus und Stall versteckt sich ein quadratischer, offener Bau, auf Steinsaeulen, mit einem geschwungen Dach aus gebranntem Lehm und einem gewaltigen Schornstein. Offensichtlich die Schmiede des Waffenhaendlers. Einige wenige Buesche und ein einzelner Baum nahe des Herrenhauses rascheln leicht im Wind.

Unter dem langen Giebeldach, dem Gesindehaus, findet sich als einziger Hinweis, der Unrat, der vom Lager einer halben Garnison herruehren muss. In jedem Raum liegt dreckiges Stroh und es stinkt widerlich. In der Kueche stapelt sich das Kochgeschirr. Vom Personal des Hofes findet sich keine Spur. Schnell schliesst man, dass hier die Bestien vor der Verladung auf das Schiff gehaust haben mussten.

Der Stall ist leer und verweist. Auch ist kaum noch Stroh auf dem Boden. Es muss wohl gesammelt und ins Gesindehaus fuer notduerftige Lagerstaetten gebracht worden sein. Im Lagerbereich findet sich eine gewaltige Zahl an Holzregalen, Puppen aus Holz und Stroh zum Anlegen von Waffenroecken und -kleidung. Staender fuer Schwerte, Spiesse, Speere und Hellebarden. Aber das meiste leer. Einige wenige Ruestungen stehen bereit, vielleicht jene, die Theben unter falschem Namen just an diesem Morgen kaufen zu wollen vorgab. Aber wie man ja aus eigener Erfahrung wusste, gingen die Bestien, die Kanagar beinahe ueberrannten, nicht unbewaffnet in den Kampf.

Das Herrenhaus schliesslich offenbart nach dem Oeffnen der Tuer zunaechst nichts als Dunkelheit. Alle Fensterriegel sind verschlossen. Nur hier und da dringt durch wenige Spalte zaghaft ein Streifen Licht und gebiert verzerrte Schatten in dem sich langsam abzeichnenden Zwielicht. Es tut sich ein langer Flur auf, von dem je links und rechts drei Tueren abzweigen. Nacheinander werden sie durchsucht und bringen Kueche, Bibliothek und Schlafgemaecher zum Vorschein, bis die vier Streiter vor eine Tuere treten, die von aussen mit einem Riegel verschlossen ist. Die rasche Verwunderung unterbricht Thouby, indem er den Riegel kurz entschlossen entfernt. Elara, die am gewaltigsten vor der sich auftuenden Oeffnung thront, trifft ein maechtiger Schlag ins Gesicht, dass sie taumelnd zurueckstuerzt, ehe dem wuetenden Angreifer Einhalt geboten werden kann, der sie in den wuestesten Toenen anschreit. Schwer tut man sich, den schmaechtigen Mann zu verstehen. Leichter macht es der unertraegliche Gestank, der aus dem stockdunklen Raume wabbert und von mindestens zweiwoechiger ununterbrochener Gefangenschaft berichtet. Theben tritt vor und dem Mann entgegen. Er gibt sich ungehalten, unwillens auf die Fragen des Gefangenen einzugehen, stattdessen fordert er ihn auf sich zur beruhigen und ihm augenblicklich in die Kueche zu folgen. Schon dreht er sich um, ohne dem schmaechtigen Mann noch eines Blickes zu wuerdigen, in voelliger Erwartung seines Gehorsams. Als dieser ihm tapsend in die Kueche gefolgt ist, sitzt Theben bereits auf einem Stuhl und starrt an die Wand. Ein zweiter steht fuer den Gefangenen bereit, ein edler Krug mit Wasser und ein metallener Becher stehen bereit. Als der Gefangene sich setzt, schenkt Theben ein und bittet ihn erst einmal zu trinken. Dann berichtet er ihm in knappen Worten die Situation und fordert ihn auf, gleiche Offenheit walten zu lassen. Allmaehlich daemmert es dem schmaechtigen Mann, einem einstigen Diener, dass er nicht erneut um nicht vorhandenes Wissen gefoltert werden soll, sondern hier seine Rettung erschienen ist. Zoegerlich beginnt er zu berichten ...

Ein streitsuechtiger Halbling

Der einstige Diener und guter Freund des Vaters von Norud Baal hatte ausreichend Zeit Hass und Zorn gegen Sohn und Folterknecht zu schueren. In knappen Worten berichtet er von den immer gleichen Fragen und den immer gleichen Torturen, mit denen er alle vier Tage und das schon 12 Tage lang, genoetigt und gepeinigt wurde. Er hatte nach Jahren den Hof wieder besucht, obwohl er Sohn und Mutter Baal schon dazumal hatte nicht leiden koennen. Und es war ein denkbar schlechter Zeitpunkt, den er sich ausgesucht hatte.

Waehrend der schweigsamen Pause toent von draussen ein beunruhigendes Stoehnen, fast mehr wie ein langgezogenes Seufzen oder Wehklagen zu den Recken in das Herrenhaus. Thouby stuerzt ans verschlossene Fenster. Flink huscht eine Ratte vom Stall her ueber den Hof, dann erscheint alles wieder still und verlassen. Da sich das Fenster nicht oeffnen laesst, eilt er zur Tuer. Der Rest der Truppe ist von nicht minder draeuen Ahnungen befallen. Aus der Tuere heraus und um die Ecke bemerkt der Halbling drei zerzauste Gestalten. Sie schlurfen, scheinbar vom Stall kommend, ueber den Hof gen Schmiede. Ihr Gang ist sonderbar taumelnd und torkelig wie eine Gruppe Seeleute nach Mitternacht in Ligan. Ihre Kleidung ist mehr Fetzen als ganze Naht und ordentlicher Saum. Ihre Haut ist kalt und bleich, fast als waeren jeder von ihnen in einen grossen Zuber mit Mehl gefallen. Mit einem Mal bleiben sie stehen, drehen sich um und sehen Thouby an.

Kalter Schweiss schiesst dem Halbling auf die Stirn. Er muss schlucken. Die Augen der drei Maenner sind leer und gebrochen, die Wangen eingefallen. Und bevor er erneut Atem fassen kann, fangen die drei taumelnden Gestalten an zu rennen. Schneller und schneller und geradewegs auf ihn zu. Mit wilder Entschlossenheit stoesst er einen warnenden Ruf aus, dann packt seine Hand wie in Trance nach dem Dolch und funkelnder Stahl blitzt den Untoten entgegen.

Der Kampf ist kurz. Die Untoten, zwar beseelt von den Kraeften Tanrehs, aber ohne Verstand, hauen nichts als Loecher in die Luft und fallen schnell unter den wuetenden Streichen des Halblings und der herbeieilenden Mitstreiter. Wahrlich, animierte Tote sind es, denn Schlaege treffen sie wie die Koerper von Puppen und weder Glied, noch Organ, noch abgeschlagener Kopf haben irgendeinen Einfluss darauf, ob sie sich weiter bewegen oder nicht.

Als die drei Gestalten im Sand des Hofes liegen, erkunden Thouby und Elara die bisher unbehelligt gelassene Schmiede. Keine Tuere, das Feuer ist schon lange kalt und nichts, aber auch gar nichts, ist zu entdecken. In der Scheune jedoch finden sie - einen Schrank weiter als jenen, an dem Theben zuvor noch nutzlos zerrte - eine offene Geheimtuer. Ein grosser, breiter Schrank, dessen Rueckwand passgenau mit der gemauerten Wand abschliesst, steht mit einem Mal halb offen. Schwaches Tageslicht dringt hervor und als der Schurke hineinaeugt, erkennt er einen Durchgang durch den Fels der Steilklippe gehauen, die sich hier noch einmal just hinter dem Hof auftuermt, bevor sie senkrecht und tief ins fern rauschende Meer hinabfaellt. Ein langgezogenes Heulen laesst ihn zurueckschrecken! Das klang nicht nach einem weiteren Untoten, sondern sehr viel durchdringender. Wie ein Tier ...

Als sie schliesslich zu dritt die Geheimtuer erkunden, Halbling und Klerikerin voraus, bemerken sie einen Durchgang und dahinter eine Schluchtartigen Gang, der sich schnell auf gut 20 Meter verbreitert. Mal felsig, mal mit Gras bewachsen tut er sich ebenerdig vor ihnen auf. Ueber ihnen glitzert der Himmel, vollgesogen vom Blau der See. Am Ende blockiert ein kleines, steinernes Haus die Sicht.

Ploetzlich springt die hoelzerne Tuere des Hauses auf und zwei wankende Wesen treten heraus. Unter den Kleiderfetzen, die sie am Leib tragen, blitzen nichts als blanke Knochen. Und als sie die Streiter erkennen, fallen sie gleichfalls in den gehetzt taumelnden Gang, immer waehrend auf die Lebenden zu. Thouby eilt geschwind zur Seite und klettert wie ein Eichhoernchen an der schartigen Felswand hinauf, um den Skeletten in den Ruecken zu fallen, waehrend Elara und Theben den Eingang Seite an Seite halten, der Diener in ihrem Ruecken. Kaum hat er eine ausreichend hohe Position erreicht, tritt eine dritte Gestalt hinter dem Haus hervor: Eine woelferne Bestie und doch keine. Sie traegt keine Waffe, die Arme haengen wie nutzlos an ihren Seiten. Schlurfenden Schrittes faellt sie in einen Trab, genau auf Thouby zu. Die Augen kalt und gebrochen.

Den gezueckten Waffen der Abenteurer haben die Skelette nichts entgegenzusetzen und selbst die untote Bestie faellt unter Thoubys und Elaras Streichen, die zusaetzlich von einer ueber ihren Koepfen hektisch hin- und her taenzelnden Waffe des Glaubens verstaerkt werden. Eine weitere Bestie tritt heraus und wird niedergestreckt. Und als zwei echte Bestien mit Pfeil und Bogen bewaffnet spitzes Holz in die Reihen der Gruppe regnen lassen, gibt es kein Halten mehr und unter den wuetenden Sturmangriffen benetzt bald ihr rotes Blut den nackten Fels.

Thouby und Theben haben ein paar wenige Kratzer abbekommen, als sie endlich das Haus betreten. Von einem langen Flur gehen drei Zimmer ab. Die ersten beiden mit Riegel verschlossen, das letzte wohl das Wachzimmer. Hinter dem ersten finden sie ein Junge und ein Maedchen. Und dennoch fuellt sie Enttaeuschung! Es sind nicht die Kinder des Kapitaens, sondern Sohn und Tochter eines Haendlers und eines Ratsmitgliedes, die erpresst werden sollten. Waehrend ein nicht minder widerwaertiger Gestank aus den Raeumen, durch den Flur und nach draussen wabbert, finden sie hinter der zweiten schliesslich eine Frau und deren zwei Kinder. Es ist seine Familie!

Der Tag vor dem Abend

Die Kinder, kaum mehr gewoehnt an das helle Tageslicht, tappten nur vorsichtig und an der Hand der Mutter aus dem kleinen Haus heraus. Waehrend die Abenteurer versuchten, ihr Zutrauen zu erwecken, trat der alte Diener an Elara heran und bat sie fuer einen Moment um ein Vieraugengespraech. Zuversichtlich, dass er sich nun den rechten Helden anvertrauen konnte, nein musste, begann er zu erzaehlen: "Ich war einst ein Gefaehrte von Baal, dem Vater von Norud. Er war ein rechter Abenteurer und besass nicht viel Geschaeftssinn. Wir streiften mit einer Gruppe Streiter durch die Lande und jagten das Boese. Dabei stiessen wir auch auf allerlei Schaetze." Elara ahnte sogleich, worauf er hinaus wollte und erriet: "Das Zepter?" "Ja, genau, das Zepter. Wir fanden es in einem dunklen Gewoelbe tief unter der Erde, weit weg in fernen Landen, nachdem wir uns durch ein wahres Heer von Unholden hatten kaempfen muessen. Es lag in einer kleinen Schatulle, vielleicht eine Elle lang. Sie war von innen mit Samt ausgekleidet, auf dem das Zepter lag. Ich weiss noch, wie ungewoehnlich leicht es in der Hand lag und wie eigenartig blank das Metall glaenzte, dessen Ursprung wir nicht errieten. Jedenfalls war es kein Silber, Stahl, noch eine andere mir bekannte Legierung." Er seufzte. "Wir versteckten es und es ist gar nicht weit von hier." Elara blickte den alten Mann fragend an. "Es ist hier auf dem Gut?" Er nickte. Dann deutete er die schmale Schlucht hinab, nach links in einen engen, schattigen Spalt im Fels hinein. "Dort oben in gut zehn Metern Hoehe befand sich ein Adlerhorst. Dort haben wir es versteckt."

Elara schluckte, dann rief sie der Rest der Freunde herbei und schnell war Thouby als flinkester Gipfelstuermer bestimmt, sich auf die Suche zu machen. Der Halbling zoegerte nicht lang, sondern ergriff bestimmt in die Wand und versuchte sich hochzuziehen. Aber er glitt ab und fiel zurueck auf seinen Hosenboden. Aergerlich ueber das Schmunzeln hoch ueber seinem Kopf rappelte er sich auf und begann erneut. Diesmal gelang es ihm, sich schnell einige Meter emporzuschwingen, ueber die Koepfe seiner Mitstreiter.

Waehrendessen erzaehlte der alte Mann weiter: "Baal wurde aber schliesslich doch sesshaft und aelter. Er nahm sich eine Frau und zusammen hatten sie einen Sohn. Aber geschaeftstuechtig war mein guter Freund nicht, sie um so mehr. In Wahrheit schmiss sie den Laden und er liess sie gewaehren. Ich konnte sie nicht leiden, vom ersten Tag, da er sie mir vorstellte. Wir gerieten in Streit darueber und seitdem habe ich ihn nur noch selten besucht. Aber ich traute ihr nie, und gar an seinem ploetzlichen Dahinscheiden erkenne ich ihren Einfluss."

Thouby hatte soeben eine erste Felsenzunge erreicht, die die kahle Wand halb in den schmalen Spalt hinausstreckte. Doch er fand kein Nest, nur einige duerre Hoelzer und etwas Stroh. Mutig liess er den Blick senkrecht an der Wand hinauffahren, dann fasste er Mut und setzte seinen Aufstieg fort. Nach einer Weile erreichten seine Finger einen breiten Spalt, indem er ordentlich Halt fand. Als er sich heraufzog, bemerkte er, dass er ein breites Plateau erreicht hatte. Aber direkt vor seine Nase tat sich ein gewaltiges Nest auf und just ueber dessen struppigen Rand blickten ihn ein halbes Dutzend spitzer Schnaebel hungrig an. Kaum hatte er es sich versehen, begannen die jungen Adlerkinder nach ihm zu picken. Schon hatte sie ihn an Hosenbein und Aermel erwischt und rissen gierig daran, dass er fast kopfueber ins Nest gestolpert waere. In einem Geistesblitz liess er sich fallen und zog panisch an einem Stiefel, den er kaum vom Fuss, in hohem Bogen ins Nest warf! Augenblicklich waren die Schnaebel hoch erhoben und quieckend und schreiend in der Luft, schnappten und hasteten nach dem Stiefel, der polternd in ihre Mitte fiel und sogleich unter ihrem hungrigen Gepicke begraben wurde. Thouby humpelte auf einem Fuss mit einem leisen Stossseufzer am Nest vorbei, da stutzte er. Da war etwas dunkles Kantiges, halb unter dem Nest vergraben! Er bueckte sich und zog es heraus. Im selben Moment begann das Nest zu wackeln und zu kippeln, dann zu rutschen. Da hielt es inne! Geistesgegenwaertig hatte der Halbling seinen zweiten Stiefel ausgezogen und schnell unter die rutschende Masse gesteckt. Barfuss hielt er triumphierend das kantige Etwas hoch, denn sogleich erkannte das gesuchte Kistchen. Schnell verschwand es am Ruecken unter seinem dicken Umhang, dann schwang er sich ueber die Felskante und kaum hatten ihn die anderen erblickt und sich ueber seine zerzauste Form gewundert, stand er auch schon wieder mitten unter ihnen. Enttaeuscht legten Elara und Theben die als Sprungtuch ausgebreitete Winterdecke wieder zusammen.

Die Kiste aus dunklem Holz mit Voegelfiguren verziert war nur mit einem kleinen Sperriegel verschlossen. Einmal gedreht, liess sich der Deckel aufklappen und das Innere offenbaren. So sehr hatte ihre Neugier gebrannt, aber da lag es, das silbrige Zepter. Aber nicht stumpf, wie es Silber nach so langer Zeit sein sollte, sondern ihm noch glatt und glaenzend, wie am Morgen poliert. Es war leicht, wie es der alte Mann beschrieben hatte, und ueber und ueber mit Voegeln verziert. "Wir fanden das Versteck damals sehr passend", erinnerte sich der Diener.

Aber die Schatten in der kleinen Schlucht wurden laenger und der Tag wurde spaet und spaeter. Den Gefangenen galt nun alle Aufmerksamkeit und waehrend Theben alles verschloss und sicherte, machte sich die Gruppe auf den zweistuendigen Weg zurueck nach Ligan.

In der Stadt trennte sich die Gruppe. Wimbell und Thouby wuerden die beiden Kinder zu ihren Eltern begleiten, waehrend Elara und Theben die Familie zureck zu Archons Schiff rudern wuerde, denn ins Haus zurueck wollte keiner der dreien. Dem Hafenmeister hatte man trauen koennen, ihr kleines Beiboot lag immer noch fest vertaeut an der Kaimauer. Die fuenf stiegen ein und die beiden Recken legten sich mit einem mueden Seufzen an die Riemen, dem fernen Schiff entgegen. Die erste Haelfte der Abenteuerer hatten mittlerweile das Haus des Vaters des Jungen gefunden. Der Junge stuermte durch die offene Tuer hinein, so dass innen schon kurz darauf der freudige Aufschrei des uebergluecklichen Ratsherrn erschallte. Nachdem sich Gnom und Halbling mit der schuechternen Haendlerstochter nach einem Klopfen hineingewagt hatten, fanden sie einen dicklichen, aelteren Herrn, der den Jungen hoch in die Luft und dann an seine Brust gedrueckt hatte und aus dessen rot verquollenen Augen dicke Traenen ueber die Pausbacken seines runden, kahlen Kopfes kullerten. Freundetrunken kam er, nachdem sein Sohn die Befreier vorgestellt hatte, auf sie zu und drueckte sie mit gleicher Macht an seinen runden Leib. Es musste erzaehlt und berichtet werden, nicht zum ersten Mal an diesem fruehen Abend. Man liess einen Diener nach dem Haendler schicken, denn Thouby wollte um jeden Preis, dass die Freilassung der Geiseln vorerst noch ein Geheimnis blieb. Der Ratsherr war einverstanden. Nur so erhielt man sich die Moeglichkeit, den Drahtzieher Norud Baal noch in die Finger zu kriegen. Der glueckliche Vater versprach eine schlagkraeftige Truppe zusammenzustellen und sein Bestes zu tun. Kaum war der Haendler eingetroffen, wiederholte sich die ueberschwengliche Szene von Neuem und ein zweites Mal musste berichtet werden. Auch der Pelz- und Gemischtwarenhaendler war mit der Geheimhaltung einverstanden. Ratsherr wie er selbst hatten Briefe erhalten, indem sie ueber die Geiselnahme ihrer Kinder informiert worden waren, aber keiner hatte auch nur die geringste Forderung erhalten. Fuer den Ratsherrn schien klar, dass man ihn sich fuer einen notwendigen Gefallen aufbewahrte, aber die Verbindungen des Pelzhaendlers in den Norden schienen kaum von rechtem Nutzen.

Schliesslich war der Abend spaet geworden. Man hatte zusammen gegessen und fuehlte sich fuer eine Weile als wahre Helden. In erquickendes Gefuehl, dass sie seit der Befreiung Kanagars schon lange nicht mehr gespuert hatten. Plaene wurden geschmiedet und die Vier-Tage-Intervalle Noruds Besuche ausgiebig diskutiert. Man wollte ihn in einen Hinterhalt locken, soviel stand fest.

Am naechsten Tag gaben sich die Helden zunaechst einem ausgiebigen Fruehstueck hin und waehrend Thouby eine Runde um den Block schlich, legte sich Theben erneut sein Adelskluft an und spielte den bekloppten Baron im Geschaeft der Baals. Er liess sich die sechs bestellten Ruestungen vorfuehren, von exzellenter Qualitaet, und dennoch gab er sich ganz und gar unzufrieden, maekelte an kleinen matten Flecken auf Verbindungsringen oder an winzigen Wetzen an den Schneiden der Waffen herum. Er liess sich zur einer weiteren Vorfuehrung herab, wenn diese noch heute erfolgte. Die beiden Angestellten konnte ihm jedoch nicht helfen, der Wagen sei heute bereits fort. Eine fruehste Lieferung morgen moeglich. Theben ueberlegte kurz: Hatten sie die Ruestungen vom Gut holen koennen, ehe er mit seinen Freunden eingetroffen war? Nein, denn die Scheune war leer und hier standen genau die bestellten sechs. Das waere schon ein eigenartiger Zufall. Gleichzeitig schien auch eine Verfolgung des Wagens unmoeglich, denn er war bereits fort. Und zu welchem Ziel liess sich aus den beiden nicht entlocken. Er verabschiedete sich und liess sich auf Morgen vertroesten. Die Fahrt des Wagens nahm er aber dennoch als Zeichen. Vielleicht sollte man doch nicht auf den kommenden Tag nur um der vollen vier Tage wegen warten. So in Gedanken streifte er durch die Gassen, kam nahe am Markt vorbei und musste urploetzlich stutzen. Da war doch etwas! In seinem Augenwinkel, gut einige Meter entfernt und dennoch konnte kein Zweifel bestehen: Der Halbelf, den sie auf Grimara zurueckgelassen hatten! Und schnell, er machte sich davon. Eilig setzte Theben ihm hinterher, auch wenn er sich sicher war, dass dieser ihn noch nicht erblickt hatte. In einer Gasse war der Halbelf ploetzlich verschwunden. Vermutlich in einem der Wirtshaeuser. Theben reagierte schnell und stuerzte zurueck zum Haus des Ratsherrn. In Windeseile hatte er die Freunde versammelt, die Situation dargelegt und schon waren sie im Sprung ueber die Tuerschwelle aus dem Haus gestuerzt, zur Gasse. Dort angelangt durchsuchten Thouby und Theben alle sechs Wirtshaeuser, waehrend Elara und Wimbell die Gasse bewachten. Aber scheinbar war der Halbelf schon ausgeflogen! Im letzten Wirtshaus erzaehlte der Wirt, dass der Gast vor zwei Tagen am Morgen zu Fuss angekommen sein, sich am selben Abend noch einmal hatte blicken lassen, dann erst spaet in der gestrigen Nacht und heute morgen abgereist sei. Theben schnaubte vor Wut. Um Haaresbreite hatten sie ihn verpasst!

Doch es galt keine Zeit zu verlieren. Es gab keinen Zweifel, der Zugriff auf den Gutshof der Baals musste so schnell wie moeglich erfolgen! Der Ratsherr tat sein Bestes und hatte eine Truppe von vierzig bewaffneten Leuten beisammen, die wussten, dass es galt Norud Baal zu finden. Gegen Mittag kamen sie auf dem verlassenen Hof an und verschanzten sich hinter der Mauer, waehrend die zehn berittene sich in einiger Entfernung versteckten und auf ein Rauchzeichen anstuermen wuerden. Es dauerte nicht lang, da bemerkte einer der Spaeher etwas. Als die Gruppe ueber den Rand der Hofmauer schielte, bemerkten sie etwa zwanzig Bestien, die, formiert und angefuehrt von drei ummantelten Gestalten hoch zu Ross, sich dem Hof naeherten. In einiger Entfernung machten sie ploetzlich Halt und schickten zwei Bestien aus den Reihen als Spaeher voraus. Schnell und geduckt naeherten sich die zotteligen Wesen durch das hohe, dichte Gras von Osten dem Tor. Im Schatten dahinter lauerten nervoes die Wachen. Der Kampf war unausweichlich! Aber wie wuerden sie die Flucht der Reiter verhindern koennen? Sie mussten sie zuvor in die Falle locken!

Der flammende Umhang

Es ist Thouby, der sich im strategischen Denken hervortut, und einen kuehnen Plan vor den Augen seiner Freunde, dem Fuehrer der Stadtwachen Mustafa Wenak und seinem erstem Offizier Harald in den Staub zeichnet. Eine schlange, gebogene Linie repraesentiert die Mauer, hinter der sie mit vierzig Mann verborgen liegen. Ein langes, duerres T, die Weggabelung. Ein kurzer Kreis den Hain, in dem sich die zehn Reiter versteckt haben. In der Runde um die rasche Skizze gibt es viel Nicken. Die Augen und Gedanken aller schauen gebannt auf den so bedeutungsvollen Spuren im Dreck, die Sieg oder Untergang bedeuten koennen, tasten jedwede Linie nach Fehlern ab, nach Stellen, an denen der vorsichtig anrueckende Feind aus dem Plan herausbrechen kann. Am Ende sind sich alle einig.

Thouby greift einen Sack, den man fuer ihn mit Plunder zur Schau gefuellt hat, in der einen Hand, das Halbschwert in der anderen. Er wirft einen letzten Blick zurueck auf die anderen Abenteurer, die sich langsam gen linker Flanke der Reihen aufmachen, um dort ueber die Mauer zu steigen. Dann steht er auf und marschiert geradewegs aufs schmiedeeiserne Tor zu. Laut quietschend faehrt es auf. Schon lange weiss er von den beiden Spaehern, die vorausgeschickt worden waren, um die so unheimlich stille Lage zu erkunden. Abrupt bleibt er stehen, wie angewurzelt. Vor ihm stehen sie. Zwei Bestien mit gezueckten Knochenschwerter bewaffnet. Ein kurzer Schrei, dann faellt ihm Sack und Schwert aus den Haenden, und er gibt Fersengeld. Mit flinken Beinen, die man der kurzen Gestalt kaum zugetraut haette, setzt er nach rechts ins dichte, hohe Gras, so hoch, dass er fast darunter verschwindet.

"Haben sie uns bemerkt?" Fragt Wimbell vorsichtig. Sie, Elara und Theben hocken kurz ausserhalb der Mauer ins Gras gekauert. "Ich glaube nicht, los, wir muessen weiter."

Einige Augenpaare der Stadtwache schielen ueber die Mauer. Der feindliche Trupp hat Halt gemacht. An ihrem hinteren Ende sieht man deutlich drei Maenner hoch zu Ross. Das Gesicht des mittleren in dem Schatten einer Kapuze gehuellt, die Koerper alle in graue Umhaenge gekleidet. Vor ihnen steht eine Zwanzigschaft zotteliger Bestien mit Koepfen von Ebern, Adlern, Hirschen und Geissboecken. Einige wirken nervoes, andere belustigt. Vorallem jene, welche kurz die kleine Gestalt auf dem Weg erblicken konnten und sie Hals ueber Kopf ins dichte Gras stuermen s ahen. Dichter Atem stoesst aus ihren Nuestern.

Stossweise geht Thoubys Atem, waehrend die Grashalme um sein Gesicht peitschen. Fieberhaft greifen seine Haende in das Innenfutter seine Mantels. An den Fingerspitzen spuert es scharfes, kaltes Metall. "Bitte, lass sie mir gefolgt sein ... Bitte, lass sie mir ... Bitte, lass ... bitte..." Urploetzlich laesst er sich fallen.

"Ob Thouby es schaffen wird." Zweifelt Theben, der sich mit seinen Faehigkeiten zur Scharade und Spiel lieber an Thoubys Stelle gesehen haette. "Nicht stehenbleiben, wir muessen weiter! Wenn wir die Falle nicht schliessen koennen, wird alles verloren sein." Elara draengt. Immer wieder lugt sie ueber die Grashalme und misst die Distanz zu den drei Reitern. "Vergiss nicht, dass er auch die beiden Spaeher erledigen muss ..." Fluestert Wimbell, als habe sie seine Gedanken erraten.

Thouby bemerkt einen dichten Schatten, der urploetzlich ueber ihn getreten ist. Still, hinterhaeltig und leise, mit nichts als einem zwergischen Sprichwort in Gedanken, sticht er auf die Knie der ersten Bestie ein. Ein wilder Schrei entfaehrt. Einige Augenblicke spaeter flattern aus dem fernen Hain erschrocken einige Voegel auf.

"Wenak, sie werden unruhig!" Berichtet einer der beobachtenden Wachen. Tatsaechlich! Der mittlere Reiter macht ein kurz Handzeichen. Die Reihen der Zwanzigschaft oeffnet sich und ein weiteres Paar Spaeher dringt daraus hervor und schreitet langsam den Weg zum Hof entlang.

Wieder ertoenen Schreie aus dem dichten Gras und eine der Bestien sinkt ploetzlich in das gruene Meer hinab. Die Blicke der anderen Bestien wechseln untereinander. Der Spott ist von ihren Fratzen gewichen, stattdessen bemerkt man deutlich ihre zunehmende Nervositaet. Wie Tiere scheinen sie fuehlen zu koennen, das Gefahr im Anmarsch ist. Ihr Brummen wird lauter, ihre Hufe und Tatzen scharren unruhig auf dem Kies des Weges. Die Reiter jedoch sitzen wie unbewegliche Statuen auf ihre Roessern.

Ein zweiter, markerschütternder Schrei ertoent. Immer wieder gingen die Schlaege der Knochenschwerter ins Leere. Blitzende Klinge, die mitten durch das hohe Gras fuhren, und nichts als Halme von ihren Fuessen trennten. Dazwischen ein waghalsiger Halbling, springend, wirbelnd, turnend, taumelnd und staendig in ihrem Ruecken. Frisches, rotes Blut glitzert auf seinen Dolchklingen. Da faellt auch der zweite. Der Weg zu den im Hain verborgenen Reitern ist frei!

"Ohoh..." "Was ist los? Was siehst Du, Karl!" Harald, mit dem Ruecken blind hinter der Mauer kauernd, reckt den Kopf nach oben. "Der Kerl in der Mitte macht irgendetwas!" Die Stimme schweift ab, als versuche er ihn Gedanken immer noch das Geschehen zu entziffern. "Was siehst Du!" "Er fuchtelt mit den Armen in der Luft herum." "Scheisse, der zaubert. Und unser Halbling?" "Den habe ich nicht mehr gesehen, seit er gestuerzt ist, aber die beiden Spaeher sind auch verschwunden."

Es stimmte. Irgendetwas geschah durch die Bewegungen und Gestiken des verhuellten Reiters. Thouby fuerchtete Blitzschlag, der auf ihn niederdonnern wuerde. Die drei Freunde um ihr eigenes Heil. Aber nichts dergleichen geschah. Keine grauschwarzen Wolken sammelten sich am Himmel. Kein Heer aus Kraehen stroemte heran. Nichts als ein schwaches Zittern der Erde. Und der Boden unter den Reitern, der sich langsam zu heben begann.

"Wie weit sind wird?" Fragt Wimbell nach vorne, die weder ueber das Gras gucken kann, noch sich trauen wuerde. "Die Haelfte haben wir geschafft. Aber irgend etwas stimmt nicht." Antwortete Elara "Was denn nicht?" Aber ihre letzte Aeusserung mag sie nicht erlaeutern.

Die Erhebung war hoeher und hoeher geworden, formte sich zu einer schlanken, turmaehnlichen Spitze, die wie ein gigantischer, klebrig brauner, mit duennen Wurzeln durchzogener und von einer gruenen Wiese gekroenter, gewaltiger Finger aus dem Erdboden stach. Dann veraenderte sich die Form. Zu beiden Spross etwas heraus. Die oberste Spitze verjuengte sich, wurde dann wieder breiter, wie ein Kopf. Die beiden sprossen, wie Arme ... Beine ... ein Erdelementar ward gerufen!

In diesem Moment hatten die beiden Spaeher an der Mauer etwas entdeckt. Einer von ihnen gab einen lauten Schrei von sich, ehe ein Pfeil mitten durch seine Kehle fuhr und er gurgelnd und roechelnd zu Boden sank. Sein Mitstreiter floh davon, zurueck zum Heer, ehe die Stadtwache sich hinter der Mauer erhoben hatte. Augenblicklich zueckten die Bestien ihrerseits die Knochenboegen, spannten die Sehnen und augenblicklich schwirrten Dutzende von Pfeilen kreuz und quer durch die Luft. Manche sprangen klirrend von der Mauer ab und fielen ins Gras, andere zischten dumpf in Fleisch und blieben unter peinigendem Geschrei stecken. Der Kampf war endgueltig entbrannt! Aber die Falle, sie musste nun geschlossen werden.

Dem gruenen Meer vor Thoubys Augen entwuchsen hohe lange dunkle Umrisse. Zwischen den Spitzen der Halme hindurch, von diesen und seinem gehetzten Atem gepeitscht, erkannte er dann diese dicht voraus als die ersten dunklen Staemme des kleinen, dichten Hains. Er wunderte sich, dass ein so kleiner Hain einen solch dichten Baumbewuchs hatte, beinahe schien Stamm unmittelbar an Stamm zu stehen. Aber da bemerkte er, dass einige der Staemme kuerzer waren und sich ihre Spitzen hin und her bewegten. Es war die Zehnerschaft der Reiter! Und es waren die Koepfe der Pferde, welche sich wie in einem sanften Wind bewegten. In den hart gezeichneten Gesichten der Maenner spiegelte sich der kleine Wald. Duesterer Ernst, zwielichtige Stille, und die Stunde des Wartens, in der sie ihrer eigenen Unruhe und Angespanntheit ausgeliefert waren. Es brauchte nur ein paar Worte, um den Plan darzulegen. Da nahm der Anfuehrer Thouby hinten mit auf sein Pferd, erhob eine flache Hand als Zeichen hoch in die Luft, schon sprengten die Maenner entschlossen aus dem Hain ins helle Tageslicht heraus und rasten wie ein Wind ueber die gruenen Wiesen hinweg.

Elara, Wimbell und Theben hatten es geschafft. Sie hatten den Weg ueberquert, der an dem Hof vorbei nach Norden fuehrte, und sich in den Ruecken der Reiter geschlichen, die etwas hinter den Bestien standen. Der mittlere schaute voller Stolz auf den Erdelementar, der sich just zu seiner vollen Groesse emporgereckt hatte und schon mit stampfenden Schritten ueber den Weg auf die Mauer und das Tor des Gutshofes zueilte. Die drei Recken versteckten sich derweil im Gras und erwarteten den richtigen Moment fuer ihren Angriff. Da! Einer der Reiter zeigte auf etwas suedlich. Die Reiter! Sie waren entdeckt worden. Jetzt!

Elara stuermte heran, ohne zu ueberlegen, ob ihre beiden Freunde es auch bemerkt hatten, einzig beseelt von einer Wut, in dem mittleren Norud Baal zu finden und mit einem einzigen Hieb ihres Dreschflegels von seinem Ross zu strecken. Doch Theben war dicht hinter ihr und nutzte die offenen Flanken des maechtigen Zauberers. Wimbell wiederum begann ihrerseits zu murmeln und gestikulieren...

Erneut geschah etwas Eigenartiges. Just war noch Elara und Theben im Kampfe zu sehen gewesen, als sie mehr und mehr samt der Reiter von dichtem Nebel verschlungen wurden. Auf halbem Weg beschlossen die zehn Reiter deswegen sich aufzutrennen. Thouby rief ihnen noch zu, jedweden Feind, der aus dem Nebel tritt, zu erledigen, dann sprang er vom hohen Pferd ins tiefe Gras, zueckte seine Dolch und hetzte in den Nebel hinein...

Unterdessen war der Kampf an Gutsmauer endgueltig entbrannt. Die Bestien waren heran und hieben und einige stachen mit ihren Knochenschwerter ueber die Kante der Mauer hinweg auf die Stadtwachen. Andere versuchten im Sturmangriff ueber die Mauer zu springen, wurden jedoch entschlossen von den eingeschuechterten, aber standthaften Verteidigern zurueckgedraengt. Gleichzeitig war der Erdelementar einfach durch die Mauer hindurch gerannt und pruegelte mit seinen lehmartigen Faeusten um sich, dass hilflose Stadtwachen wild durch die Luft gewirbelt wurden, und der Erdboden wie die Haut einer gigantischen Trommel schwang und widerhallte.

Im dichten Nebel erkannten der eine Teil der Reiter nichts mehr. Unentschlossen und angespannt, ihr Fuehrer war mit den restlichen Berittenen weitergezogen, um den Ruecken des Feindes zu halten, entschlossen sie sich den Freunden an der Mauer zu helfen. Schon gaben sie ihren Gaeulen die Sporen und gingen mit schwingenden Schwerter auf die anstuermenden Bestien los.

Aber die anderen brauchten nicht lange im Ruecken der drei feindlichen Reiter warten. Der maechtige Zauberer hatte von den Abenteuern in Nullkommanichts so ueberraschend Pruegel bezogen, dass er sein Pferd an den Zuegeln herumriss und gestreckten Galopp aus dem schuetzenden Nebel stuermte. Noch als sie die fliehenden Drei wie einen einzigen Pfeil an sich vorbeistuermen sahen, setzten sie den Enteilenden hinterher. Doch der Zauberer hatte nicht mehr Wimbell gerechnet. Hinter ihren gnomhaften Augen sponnen ganz eigene Gedanken. In Windeseile erschuf sie eine Feuersphaere, aber nicht irgendwie, sondern mitten auf dem Schoss des davonpreschenden Zauberers! Augenblicklich fing dessen Umhang Feuer, doch noch mehr, Maene, Fell und Schweif des armen Pferdes brannten lichterloh! Schon purzelte der graubemantelte Mann ins Gras, waehrend seine hilflosen Helfer ihr Heil weiter in der Flucht suchten. Thouby auf seinen kurzen Beinen war durch den Nebel hindurch und setzte seinerseits den Pferden nach. Er hatte Blut geleckt, und er wollte mehr ...

Gerade als sich der Nebel zu lichten begann, und die verbleibenden drei Abenteurer den Blick zurueck gen Hof wandten. Gerade als sie den Erdelementar, flankiert von zwei verbliebenen Bestien, auf sie zustuermen sahen. Gerade als ein markerschuetternder, bitterlicher Schrei ueber die windstillen Wiesen ertoente, da loeste sich der Erdelementar auf, sank einfach in sich zusammen und es blieb nichts als ein lockerer Haufen Erde, wie ein frisch aufgeschuettetes Grab von ihm uebrig.

Die Schlacht war geschlagen und gewonnen. Aber Norud Baal hatten sie nicht gefangen. Viele Stadtwachen waren verletzt worden und einige wenige hatten ihr Leben bei der Verteidigung der Stellung am Hof gelassen. Die Abenteurer hatten mit einigen Kratzen, dank der klugen Strategie Thoubys, den Tag gluecklich ueberstanden. Nur geloest war keiner von ihnen. Man sammelte die Verletzten am Hof, beerdigte die Toten vor Ort und verbrannte die Bestien auf einem grossen Scheiterhaufen. Dann begleiteten die vier Recken Mustafa und Harald zurueck in die Stadt, um dem Ratsherrn von dem Kampf zu berichten.

Umzingelt!

Schon auf dem Weg zurück, weichen die Gedanken von Mustafa Wenak und den ausländischen Recken von ihrem Plan ab. Norud Baal ist entkommen, aber wohin? Das Geschäft Baals und seine Angestellten sollten doch darüber Auskunft geben können.

Abgekämpft, mit schartigen Schwertern und manch müder Fratze betritt man Ligan und bahnt sich seinen Weg über den am späten Nachmittag dicht befüllten Marktplatz. Verwunderte Blicke werden den Recken zuteil, auch wenn man den Anblick von Gruppierungen der Stadtwachen zu Maneuvern gewöhnt ist. Vor den Klingen von Ligan angekommen, eilen drei Wachen hinter das Haus, um die Fenster dort abzudecken, der Rest betritt den Laden durch die Eingangstüre. Die beiden verdutzten Angestellten werden augenblicklich festgenommen, die hinteren Räume von den Wachen durchsucht, während Mustafa die Befragung persönlich vornimmt.

Aber den genauen Aufenthaltorts Norud Baals kennen sie auch nicht, weil sie nur mit den Geschäftlichkeiten vor Ort betraut sind. Einschüchterungen von Seiten Thebens schlagen fehl, aber ein kurzer Spruch Elaras weist deutlich auf die grundsätzlich gute Natur aller Beteiligten hin. Es gebe aber noch zwei weitere Angestellte, die für den Transport zuständig seien: Zhuir und Rolrod. Außerdem gebe es neben dem Gutshof ein zweites Lager, etwas südlich von Ligan, ca. eine Fußstunde die Straße nach Quin entlang, in einem kleinen Dorf namens Mumm.

Die Helden wollten sofort aufbrechen. Es gelingt ihnen Mustafa zu überzeugen, nur einen Boten zum Stadtrat zu entsenden, der diesen zurücksckicken soll und höchstens seine prinzipielle Ablehnung gegen den Plan gen Mumm auszurücken kundtun soll. Nur dann würde man innehalten. Als der Bote nach einer halben Stunde zurückkehrt, verkündet er die Zustimmung des Patriarchen.

Erneut über den Marktplatz hinweg verlässt der Trupp die Stadt diesmal durch das südliche Tor, überquert auf der Brücke den Fluß und strebt eilig auf der Straße weiter. Nach einer knappen Stunde bemerken sie kleine Behausungen in dern Ackerländern voraus. Kurz bevor sie versammelt das Dorf betreten, ist Thouby urplötzlich verschwunden. Mustafa schaut sich um und kann plötzlich keinen der ausländischen Abenteurer mehr entdecken. Doch er hat kaum Zeit sich zu wundern, denn schon treten ihnen einige Bewohner des Dorfes entgegen und eine hitziges Diskussion entbrennt: Mumm gehöre nicht zu Ligan. Was die Stadtwache hier zu suchen haben ... Mustafa versucht, abzuwiegeln und vorsichtig zu sprechen, aber weiter in das Dorf hinein kommt er nicht vorerst mehr.

Still und klammheimlich hat sich Thouby aufgemacht, im Uhrzeigersinn das Dorf zu umrunden. Elara, Theben und Wimbell ihrerseits nicht minder faul, haben sich ebenso abseits des Weges geschlagen, um zwischen hohem Gras und dichten Ähren einen Weg andersherum zu finden. Schnell entdecken sie ein Haus der örtlichen Wachen, an dessen offenem Fenster sie vorbeischleichen. Die Wache im Haus macht jedoch keine Anstalten ihnen unfreundlich gesinnt zu sein. Das letzte Haus im Dorf schließlich bleibt als einziges übrig. Von der südlichen, schlanken Seite zwinkert ihnen nicht einmal ein Fenster entgegen. Wimbell und Elara bleiben an der Ecke stehen, Theben schleicht an der langen, außenliegenden Seite weiter. Voraus entdeckt er drei Pferde, ihrem Zaumzeug nur eben um einen Pflock geschlungen, gesattelt und bereit. Thouby, der unentdeckt an einem Gasthaus vorbei ist, hat ebenso das letzte Haus erreicht. Er nähert sich der gegenüberliegenden schlanken Seite. Auch dort stehen zwei Pferde und eine Kutsche. Aber die Pferde sind nicht angebunden, sonden grasen unbekümmert daneben. Sie stehen im langen Schatten eines kleinen Hauses, das sich an die schlanke Seite anschließt.

Theben hat die drei Pferde erreicht und leise das Zaumzeug gelöst. Mit einem Klaps, gefolgt von einem lauten Wiehern sprinten die Gäule ein kurzes Stück davon, bis sie sich verwundert umdrehen.

Plötzlich geht die Türe des kleinen Hauses auf und zwei Gestalten in grauen Umhängen treten heraus. Der eine schlägt seine Kapuze zurück, als versuche er so besser hören zu können. Es ist Norud Baal! Vor Thoubys innerem Auge lauern seine drei Freunde just außer Sicht hinter dem Haus. Er lässt einen Laut Kriegsschrei erklingen und stürmt sogleich auf die beiden Umhänge zu. Kaum einen Augenblick später stehen zwei weitere Gestalten in schmutzige Wollhemden gekleidet in der Türschwelle. Sie erblicken Thouby, zücken ihre Schwerter und treten ihm mit schnellen Schritt entgegen.

Theben, just hinter der Ecke, hat den Schrei des Halblings erhört und fackelt nicht lange. Rasch tritt er aus den Abdeckung heraus und sticht mit gezücktem Rapier auf einen der grauen Umhänge ein. Rotes Blut färbt den Stoff. Aber in der Eile übersieht er, welcher von beiden Norud Baal ist. Noch eben überrascht, wirbeln die beiden herum und stürzen sich auf den mutigen Schurken, der nun seinerseits unter den Streichen seiner Gegner wankt und weichen muss. Elara war ihm unbemerkt gefolgt und flankiert geschickt einen der Umhänge. Sein Gewand unter Streichen der Dreschflegel und des Rapiers verwandelt sich bald in alte Fetzen. Thouby kommt nicht an sie heran. Er turnt und tobt um die beiden Arbeiter in Wollhemden herum, die sich tapfer mit ihren Schwertern seinem Zorn zu erwehren suchen. Schließlich bannt die herangeeilte Wimbell eine Feuersphäre mitten zwischen die Umhänge. Des einen fängt Feuer und ein lauter Schrei ertönt, dann bricht die Gestalt leblos zusammen. Die zweite ergibt sich und kurz darauf auch die beiden Arbeiter, die angesichts der schließlich auch heranstürmenden Stadtwachen berichten, dass sie nur ihren Herrn gegen einen plötzlichen Überfall beschützen wollten. Sie stellen sich als das zweite Paar Gehilfe Baals heraus, welche die Waffen und Rüstungen von den Lagern zum Geschäft in Ligan transportieren. Die schlanke Gestalt im grauen Umhang entpuppt sich als Waffenhändler, der mit Norud Baal Geschäfte machen wollte. Überrascht war er, dass diese schon einen Tag früher eintraf, als erwartet, so dass die Waffen, die er verkaufen wollte, noch nicht eingetroffen waren.

Mustafa schaut die Helden an, die nicht recht wissen, ob das Abenteuer nun zuende ist oder gerade erst beginnt. Norud Baal ist ausgeschaltet, die Familie des Kapitäns in Sicherheit. Doch was ist mit dem Zepter? Werden sie dessen Wirkung trotz Baals Tod erfahren?